Jenseits aller Unkenrufe, Smartphones hätten dem eigenen PKW unter jungen Leuten den Rang als Statussymbol abgelaufen, zeigen die Autohersteller bei diesem Thema einen gesunden Pragmatismus. Es gibt für Sie kein Entweder-Oder, sondern vielmehr die Herausforderung, den digitalen Lifestyle nahtlos ins Auto zu überführen. Die gerade stattfindende Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas führt dies mit einer Keynote von Daimler-Chef Zetsche und einer breiten Präsenz von Autoherstellern eindrucksvoll vor Augen. Die Entwicklung des Autos zur mobilen Kommunikationszentrale ist unumkehrbar: Schon heute arbeiten viele PKW-Hersteller unter großem Mitteleinsatz an der Entwicklung eigener Applikationen.
Die deutschen Premiummarken BMW (ConnectedDrive), Audi (Audi connect) und Mercedes (COMAND Online) stehen mit eigenen Entwicklungszentren für Apps und Kooperationen mit Facebook und Google dabei an der Spitze der Bewegung hin zur vernetzten Mobilität. Die Zusammenarbeit mit Entwicklungsfirmen wie NVIDIA ist vor allem deshalb wichtig, weil die Innovationszyklen im Softwaregeschäft bislang nicht so recht zu den langen Produktzyklen der Automobilhersteller passen wollen. Aber auch Eigenentwicklungen sind manchen Fällen Erfolg versprechend und so präsentierte Daimler auf der CES 2012 die neue Version seiner Software mbrace.
Die Anforderungen der Kunden an eine Vernetzung zwischen Smartphone und Ihrem Transportmittel sind aus meiner Sicht dichotom: Auf der einen Seite stehen eher rationale Motive hinsichtlich intelligenter Mobilität: Dazu zähle ich Services wie Verkehrsmeldungen in Echtzeit, die beispielsweise Audi über die App myAudi mobile assistant anbietet oder die Point-of-Interest-Suche während der Fahrt über Plattformen wie Yelp. Daneben wächst der eher emotional getriebene Wunsch nach permanenter Vernetzung mit dem sozialen Umfeld mittels sozialer Netzwerke: Facebook-Updates über vorgefertigte Textbausteine, das Vorlesen eingehender Nachrichten oder das Mitteilen von Ankunftszeiten am Zielort für Facebook-Freunde sind nur ein paar der stetig wachsenden Möglichkeiten. BMW ist mit der App BMW Connected schon ein gutes Stück auf dem Weg voran geschritten. Mercedes wagte Forschungsfahrzeug F 125!auf der IAA 2011 sogar einen noch weitergehenden Blick in die Zukunft des Autos als mobile Kommunikationszentrale.
Für alle Hersteller gilt, ihre Anforderungen an höchsten Bedienkomfort und minimale Ablenkung mit den Wünschen der Nutzer in Einklang zu bringen. Neben der Klärungen dieser Fragen mit beispielsweise erweiterter Sprachsteuerung, ist die technische Umsetzung die Hauptbaustelle: Fest im Fahrzeug integrierte SIM-Karten und WLAN Hotspots für die Smartphones und Tablets der Mitfahrer zeichnen sich als Standard ab. Mit dem zukünftig verfügbaren Mobilfunkstandard LTE werden auch Videokonferenzen oder Filme in HD-Qualität für den Beifahrer und die Fondpassagiere kein Wunschtraum bleiben. Auch Software-Updates für das Fahrzeug können so ohne Werkstattaufenthalt erledigt werden. Der neue Übertragungsstandard NFC wird zudem die Integration von mobilen Devices ins Kommunikationssystem der Fahrzeuge müheloser gestalten. Ein weiterer Treiber wir die zunehmende Verbreitung von Elektroautos sein: Bieten diese doch vom Ladestand der Batterie, bis zur Anzeige der nächsten Ladesäule vielfältige Nutzungsszenarien. Zudem spielen Apps eine wichtige Rolle beim Bestreben der Autohersteller mit eigenen Carsharing-Angeboten den Mobilitätsbedürfnissen von morgen gerecht zu werden: Egal ob beim Pionier Daimler (car2go), Volkswagen (Quicar) oder BMW (DriveNow) – stets fungieren die kleinen Miniprogramme als Fahrzeugfinder und dienen zur Reservierung eines Mietwagens. Mercedes setzt mit seinem eigenen Mitfahr-Netzwerk „car2gether“ sogar noch eins drauf. Ähnlich wie das Social Mobility Network „flinc“vermittelt die Mercedes- Mitfahr-Community in Echtzeit eingehende Mitfahrangebote und –gesuche.
Aus meiner Sicht sind hier die Investitionen der Hersteller in äußerst lohnend, denn nach wie vor geht es darum, potenzielle Kunden bereits in jungen Jahren an eine Marke zu binden. Und wenn schon nicht über den Autokauf, so kann der so wichtige Erstkontakt zur Marke künftig über eine innovative App oder das herstellereigene Carsharing erfolgen. Denn das Bedürfnis nach Mobilität ist unverändert, nur der Pragmatismus in der Wahl der Fortbewegungsmittel ist gestiegen.
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