Astronomische Bußgelder für die Automobilbranche? Was OEMs von der Finanzbranche lernen können.

Muss die Automobilbranche sich an astronomische Bußgelder gewöhnen? - Was sie von der Finanzbranche lernen kann.

Muss die Automobilbranche sich an astronomische Bußgelder gewöhnen? – Was sie von der Finanzbranche lernen kann. (Foto Ljupco | Dreamstime.com)

In den Nachrichten haben wir alle in den letzten Monaten die VW Abgasskandal mitbekommen mit seinen astronomischen Bußgeldern von der amerikanischen Justizbehörden verhängt und den damit einhergehenden zivile Prozesse. Zurzeit sind Beträge in einen Größenordnung von mehr als 20 Milliarden USD in USA von VW zu bezahlen. Auch zeichnen sich Prozesse und große Bußgelder in der EU ab. Lange Gefängnisstrafen drohen auch den VW Führungskräften.

Discovery-Verfahren finden regelmäßig in der Finanzbranche statt und greifen zunehmend auf die Automobilbranche über: VW musste in den USA, wegen des Abgasskandals 2,8 Milliarden Dollar an die amerikanischen Justizbehörden zahlen. Darüber hinaus werden weitere zivilrechtliche Bußgelder in der Höhe von 1,5 Milliarden Dollar fällig. Bei hunderten US-Zivilklagen von Kunden, Autohändlern und Behörden hatte sich VW bereits auf Vergleiche geeinigt, die über 17 Milliarden Dollar kosten könnten.

Doch VW steht nicht alleine da, auch andere Automobilhersteller, wie z.B. Toyota und GM haben für Umwelt- oder Sicherheitsvergehen in 2016 1,2 Milliarden bzw. 900 Mio. USD in Bußgelder zahlen müssen.

Auch ohne hohe Bußgelder kann eine Untersuchung teuer werden, z.B. wenn 100 amerikanische Anwälte bei einem Deutschen Unternehmen 20 Tage arbeiten um Beweismaterialien zu identifizieren und zu sichern.

Viele werden sich gefragt haben, mit welchem Recht die Amerikaner so hohe Strafen von europäischen und deut-schen Firmen einfordern dürfen und wie ein Automobilunternehmen sich darauf vorbereiten kann?

eDiscovery ist ein Prozessschritt, der die gegnerische Parteien verbindlich auffordert ihre Beweismaterialien vorzulegen

Zivilrechtlich gelten die Bestimmungen der „Federal Rules of Civil Procedure (FRCP)“ für alle Unternehmen, die in der USA Geschäftlich tätig sind. Die FRCP bestimmt, wie ein Zivilprozess in den USA zu führen ist. Nach der FRCP findet ein gerichtliches Vorverfahren, „Discovery“ statt, wo die Parteien Beweismaterialien und Sachverhalte fest-stellen, weitgehend ohne Mitwirkung der Richter. Der Prozess wird auch „eDiscovery“ – nach electronic Discovery benannt weil heute die meisten Beweismaterialien elektronisch gespeichert sind, sogenannte Electronically Stored Information („ESI“).

Relevante Dokumente unterliegen einer Aufbewahrungspflicht. Die Aufbewahrungspflicht wird durch einen „Le-gal Hold“ ausgesprochen und an die gegnerische Partei formell kommuniziert. Wenn ein Legal Hold ausgespro-chen wurde, müssen die betroffenen Dokumente gesichert werden, so dass sie weder verändert- noch gelöscht werden können.

Obwohl häufig nicht so deutlich hervorgehoben, wird, trägt (insbesondere in der Finanzbranche) die verspätete Beibringung der Beweismaterialien zu die Höhe die Bußgelder bei. Um Bußgelder zu minimieren, ist es ratsam die relevante Dokumentation zeitrichtig zu liefern.

Meiner Meinung nach, kann man von Erfahrungen anderer Branchen und Geografien lernen. eDiscovery ist seit 2006 ein etablierter Begriff im US Zivilrecht und deutsche Banken sehen sich seit dem damit konfrontiert.

Fokus diese Artikelserie ist, Themen zu beschreiben, die in der Finanzindustrie von Bedeutung sind, die Anforde-rungen und Herausforderungen zu beschreiben, wie diese Herausforderungen typischer Weise in einen internati-onal operierenden Bank gelöst wird. Ziel ist Anregungen zu schaffen auch für Automobilhersteller wie sie Identifi-kation und Produktion von elektronischen Beweismitteln sichern- und produzieren können.

In dieser Artikelreihe werde ich die folgenden Themen beschreiben und diskutieren:

  • Was ist eDiscovery und welche spezifischen Anforderungen stellt eDiscovery an teilnehmende Parteien? Diesen Teil wird die zu erwartenden Herausforderungen in einen Discovery Prozess- und deren Auswir-kungen auf Datenmanagement intern im Unternehmen.
  • Internes Data Management und dessen Rolle. Die Anforderungen, die aus den eDiscovery Prozessen stammen, haben eine große Auswirkung auf Identifikation von Datenquellen, Archivierung, Aufbewah-rungsfristen, und Records Management. Diese Bereiche muss man intern im Unternehmen steuern um ESI zeitrichtig und komplett zu liefern.
  • Design und Umsetzung einer leistungsfähigen eDiscovery Strategie. Ziel dieses Abschnitts ist beispielhaft ein Vorgehen zu beschreiben wie eine Strategie umgesetzt werden kann.
  • Ausblick. Hier werde ich eine vereinfachte Zusammenfassung/Überblick über die Marktsituation von eDiscovery Tools und Lösungen beschreiben.
Frode Redigh Karlsen

Über Frode Redigh Karlsen

Frode R. Karlsen ist Experte für digitale- und operationelle Themen. Zur Zeit ist Frode für die Business- und Lösungs-Architektur einer eDiscovery-Lösung bei einer globalen Bank zuständig. Frode hat große, zeitkritische Projekten für international agierende Unternehmen in den Branchen Finance, Telekommunikation und Logistik geleitet. Zu seinen Arbeitsbereichen gehören Data Management, die Spezifizierung, Evaluierung, Auswahl und Umsetzung von Plattformen und Solutions für Sales (B2B und B2C), Marketing (Kampagnensteuerung, Analytics, Customer LifeCycle und Kundensegmentierung) und Kundenservice (B2B und B2C) – und das europaweit. Frode ist Master of Business Administration mit Spezialisierung IT und Management an der Cass Business School in London sowie Diplom-Informatiker der Universität Oslo, als auch zertifizierter Project Management Professio-nal nach PRINCE2. Frode hat 15 Jahre Erfahrung gesammelt bei renommierten Unternehmensberatungsunternehmen wie PA Consulting, Accenture und Cognizant Business Consulting. Frode arbeitet derzeit als selbständiger Unternehmensberater.